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Die Musicalhasser mal wieder …

Nichts ist schrecklicher in der superbunten Musicalwelt, als wenn jemand mal Wahres sagt. Mit der Wahrheit ist es in diesem Genre nicht so gut bestellt. Zu viel Politik und Business geigen da hinter den Kulissen, als dass man als Konsument auch nur annähernd die Wahrheit erfährt. Beispiele? Nicht nur blöd herumreden? Okay.

Also. Beispiel Ronacher. Und formulieren wir es als Fragen, auf die ich gerne Antworten hätte. Gut. Ist es richtig, dass sich im Zuschauerraum des Ronacher mehrere Überwachungskameras befinden? Wie viele sind es? Wo genau stehen sie? Wird mit diesen Kameras aufgezeichnet? Werden die Streams gespeichert? Wer sieht diese? Wer hat entschieden, Überwachungssysteme im Ronacher zu installieren? Was haben sie gekostet? Laufen die Kameras auch bei Mitarbeiterversammlungen mit?

Beispiel Ronacher. Ist es richtig, dass Billeteure vor ein paar Wochen auf ein billigeres Gehaltsschema umgestellt wurden? Wie viel bekommen Billeteure nun pro Stunde, wie viel davor? Ist es richtig, dass die Volksoper nun viel mehr bezahlt? Wer hat das entschieden?

Beispiel Raimund Theater. Wer hat entschieden, dass »Ich war noch niemals in New York« wieder auf den Spielplan kommt? Was waren die Gründe? War die Entscheidung umstritten? Wer war dagegen, und warum? Wer war dafür, und warum?

Beispiel Raimund Theater, Silvester. Wie viele Streicher waren im Orchester?

Ein heikles Thema hat dieser Tage auch Sänger und Moderator Gunther Emmerich auf welt.de thematisiert. Er meinte, an Musicalschulen werde nach einem bestimmten Schema ausgebildet, und es kämen verwechselbare Künstler heraus, nichts Außergewöhnliches. Natürlich mag das etwas übertrieben sein. Und doch ist es völlig richtig. Wie viel Prozent der Absolventen von Musicalschulen sind denn nach fünf Jahren noch regelmäßig im Business beschäftigt? Wie viele sind fünf Minuten nach dem Abschluss wieder hauptberuflich als Finanzberater, Fitnesscoachs, Fashionisters oder in anderen Jobs tätig? Wie viele bieten sich, noch bevor sie auch nur eine relevante Rolle bekommen haben, als Lehrer an? Spricht man mit Leitern von Musicalschulen, so wird nicht selten der Aspekt betont, dass eine Musicalausbildung als Teil der Persönlichkeitsentwicklung betrachtet werden muss. Völlig richtig. Erkennt jemand, dass sein Talent doch woanders liegt, dann ist das eben so. Freilich. Man könnte auch andere Auswahlkriterien anlegen. Man könnte mit Sicherheit einen Teil der angehenden Pizzaverkäufer mit Musicalausbildung minimieren. Sicher nicht alle. Doch hier kommt wieder der Aspekt der Wahrheit ins Spiel. Gehen wir lieber nicht drauf ein.

Noch interessanter wird es, wenn Musicalsänger eine Meldung wie jene Emmerichs als Basis für eine »We fight back«-Initiative hernehmen, weil sie angesichts des schlechten Rufs des Musicalbusiness im deutschsprachigen Raum, und nur hier, völlig frustriert sind. Niemand behauptet etwa, dass Musicalsänger generell schlechte Schauspieler sind. Aber sehr viele von ihnen. Oft werden gerade die eher mäßig Talentierten von triebgesteuerten Minderjährigen in den Musicalhimmel gehpyt, weil sie im Theater ihres Vertrauens offensichtlich zum ersten Mal einen halbnackten Mann LIVE gesehen haben (der auch nach ganz passabel singt). Billiges Argument. Trotzdem. Kein guter Musicaldarsteller müsste Ablehnung im Business begegnen, wenn er sich nicht für Schrott hergeben würde. Und das ist der Punkt. Nicht »die anderen« sind schuld. Da ist das Musicalgenre im deutschsprachigen Raum schon selbst schuld. Wer so viel Schrott bietet, dem wird eben auch irgendwann imagemäßig die Rechnung präsentiert. Es gibt genug Theater, die tatsächlich Ansprüche an ihre Musicalproduktionen stellen. Suchen sie dann geeignete Musicaldarsteller aus dem Pool der Absolventen, spielt sich bei den Auditions Grausames ab, so hört man. Ist es da ein Wunder, wenn lieber auf Schauspieler, die auch singen können, zurückgegriffen wird. Das Reinhardt Seminar etwa bietet mitunter Musicalproduktionen, die um Welten interessanter sind als das mit Millionensubventionen hochgejazzte Musicalnichts, das die großen Theatertanker bisweilen in die Lust blasen.

PS: Man ist kein Musicalhasser, wenn man »Ich war noch niemals in New York« ablehnt. Im Gegenteil, man ist einer, wenn man diese Show mag.