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Archiv - Sprache

Wikipedia und die Fanclubs am Beispiel “Elisabeth”

In letzter Zeit häufen sich wieder einmal die Diskussionen rund um Wikipedia. Politischen Parteien in Österreich wurde vorgeworfen, Einträge zu “schönen”. Das freilich gibt es auch im Bereich Musical. Ein schönes Beispiel ist der Eintrag zum Musical “Elisabeth”. Hier findet sich die Formulierung: “Den Stuttgarter Max gab Michael Flöth wie kein anderer.” Das ist natürlich schön für Herrn Flöth, dass seine Fans so hinter ihm stehen und gleich eine Bewertung in den Artikel einfließen lassen. Für den Ruf von Wikipedia ist es schlecht. Denn erstens haben solch wertende Formulierungen in einem “Lexikonartikel” nichts verloren, und zweitens ist die Formulierung Nonsens, weil jeder ein gutes Stück Unverwechselbarkeit einbringt.

Wer möchte, kann versuchen, diese typische Fanclubformulierung zu tilgen, allein, es wird nicht gelingen. Die Änderung wird augenblicklich rückgängig gemacht. Wikipedia ist eben ein “Weblexikon” wie kein anderes.

Update
6 Stunden später: Der Artikel wurde nun korrigiert.

Bachmannpreis: Pest, Cholera, Corino

Stichwahl für den 3sat-Preis und kelag-Preis im Rahmen des Bachmannwettbewerbs 2007. Zur Letztwahl stehen die Texte zweier Autoren: Thomas Stangl und PeterLicht. Man freut sich für die Autoren. Einer wird gewinnen. Beide Künstler sind anerkannt, auf verschiedensten Gebieten.

Was fällt Juror Karl Corino in diesem Moment ein, in dem von ihm vorgeschlagene Autoren nicht punkten konnten? Er meint, live auf Sendung: “Eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera.”

Damit hat sich Corino selbst disqualifiziert. So kann man über Künstler vielleicht im Suff reden, aber sonst? Ein Mindestrespekt vor Autoren sollte zumindest bei einem Literaturwettbewarb vorhanden sein. Wir sind nicht im Wirtshaus. Aber vielleicht haben wir Glück und es war der letzte Auftritt von Karl Corino beim Bachmannwettbewerb.

Bachmannpreis 2007 - ein Tiefpunkt der Diskussionskultur

Der Bachmannpreis lebt von den Diskussionen der Juroren im Anschluss an die Autorenlesungen. 30 Minuten haben Autoren für ihre Lesungen zur Verfügung, 30 Minuten sind vorgesehen für die Diskussion der 9 Juroren.

Beim Bachmannpreis 2007 klappt das in der Regel. Die Juroren diskutieren recht brav, wenn auch im Gegensatz zu gloriosen vergangenen Jahren mit weitaus weniger Leidenschaft. Zu einem wahren Eklat kam es jedoch am zweiten Tag nach dem Vortrag des Schriftstellers Peter Licht. 6 Juroren gaben im Sinne von Statements ihre Meinung ab, 3 Juroren (Karl Corino, Ursula März und Ilma Rakusa) verzichteten auf eine Stellungnahme. Eine Diskussion rund um einen der bisher interessantesten Texte dieses Literaturwettbewerbs fand nicht statt, von den 30 zur Verfügung stehenden Minuten wurden nur 15 genutzt. Wie soll man das nennen? Feigheit, Arbeitsniederlegung, Unfähigkeit, Müdigkeit vor dem Feind?

Peter Licht zog es vor, sein Gesicht den TV-Zuschauern, die via 3Sat alle Lesungen verfolgen können (und via Stream im Internet), nicht zu zeigen. Er möchte sozusagen anonym bleiben. Ob das eine Masche ist, um scheinbar gegen seine Intention zusätzlich Aufmerksamkeit auf seine Person zu konzentrieren - egal. Das ist von der Jury nicht zu “ahnden”.

Fakt ist: Der Bachmannpreis lebt von der Diskussion der Juroren. Sie haben im Fall von Peter Licht die ganze Veranstaltung zur Farce verkommen lassen. Schade, Frau Vorsitzende Radisch. Unter Herrn Reich-Ranicki hätte es so etwas mit Sicherheit nicht gegeben.

Kabarett Simpl: Krawutzi Kaputzi - Strengstes Jugendverbot - Das Sozialdrama

Otto Jaus und Roman Straka; Foto: Martin Bruny

Zippeti Zappeti Zeppeti-Zupp,
einmal Schwipp und einmal Schwupp,
Piffzipaffzi Trallalla,
und der Kasperl, der ist da!
Seid ihr auch alle da?

[Arminio Rothstein: Kasperls Spruch — Download]

Im Kabarett Simpl derzeit zu sehen: “Krawutzi Kaputzi”, mit den Untertiteln: “Das Sozialdrama” und “Strengstes Jugendverbot”. Geht man vom Theater aus, in dem sich das Ganze abspielt, so könnte man eine der am Hause üblichen Kabarettproduktionen erwarten. Das Simpl (1912 als “Bierkabaret Simplicissimus” gegründet und damit das älteste noch immer bespielte deutschsprachige Kabarett) ist für zwerchfellstrapazierende kabarettistische Revuen berühmt. Wer diese Erwartungshaltung hat, wird nicht enttäuscht. “Krawutzi Kaputzi” ist, unter anderem, auch ein Stück herrliches Kabarett, nur eben einen Dreh anders.

“Krawutzi Kaputzi” ist aber auch eine Hommage an all jene Künstler, die die Puppenspielfiguren, die Stars der Show, geschaffen
haben. Dem Programmheft kann man Angaben dazu nicht entnehmen. Da heißt es zu, sagen wir mal “Zwerg Bumsti”, einer der Nebenfiguren der Show: “52, Kaufmann, Biertrinker, Verzahrer”. Wollte man exakt sein, müsste man sagen: Falsch. Bumsti ist schon 60, denn Teja Aicher, ein Wiener Künstler, hat den kleinen pausbäckigen “Zwerg Bumsti” als Comicfigur im Jahre 1947 erfunden.
Kasperl, die Gans Mimi, der Zauberer Tintifax, Helmi - all diese Figuren wiederum haben Arminio und Christine Rothstein zum Leben
erweckt. Arminio Rothstein (1927-1994), besser bekannt als Clown Habakuk, war ein österreichischer akademischer Maler, Puppenmacher und Puppenspieler, Drehbuchautor und Buchautor, Musiker, Zauberer und AHS-Professor. Von 1968-1994 arbeitete er beim Kinderfernsehen des ORF und entwickelte Sendungen, in denen Puppen mit ihm selbst als Clown Habakuk und anderen Menschen interagierten.
Die “Familie Petz” wiederum, die einen anderen Teil der “Cast” von “Krawutzi Kaputzi” beistellt, als da sind Pezi, Großvater, Pezis Freund Fips (eine Maus), die Katze Minki und die Ziege Meckerle, ist Star der ORF-Sendereihe “Betthupferl”. 198 Folgen davon produzierte das Wiener Urania Puppentheater für den ORF. Der Titel der Simpl-Show, “Krawutzi-Kaputzi” (Download), ist Pezis Standard-Ruf, wenn er wieder mal Unfug angestellt hat und aufgeflogen ist. So würde sich auch noch die eine oder andere Puppenspielserie anführen lassen, aus der die Macher der Simpl-Show ihr Personal rekrutierten - Sendungen, die zum Teil seit 1957 vom ORF ausgestrahlt werden.

Roman Straka; Foto: Martin Bruny

Natürlich hat das Simpl nicht den kleinen Pezi auf die Bühne gestellt und mit ihm ein Puppentheater für Kinder inszeniert. Pezi ist
in “Krawutzi Kaputzi” vielmehr 29 Jahre alt, hat sein Boku-Studium noch immer nicht abgeschlossen, und steht kurz vor seinem -
1000. One-Night-Stand (das macht 1,46 One-Night-Stands die Woche, bei einem Start im 16. Lebensjahr, wie ihm Fipsi, sein Freund, akribisch ausrechnet). Sein Großvati hat zwei Schlaganfälle hinter sich, und da er erst mit 60 begonnen hat für seine Pensionsversicherung einzuzahlen, steht er noch immer in seinem Geschäft. Fips, die graue Maus, ist beruflich erfolgreich im Bankgewerbe tätig und schwul, aber niemand in seiner Umgebung weiß von dem einen noch von dem anderen. Erste Kontakte in die Szene knüpft er auf der Single-Plattform gayromeo.at als “TraumMaus31W” und lernt dort ausgerechnet “Helmi”, 45, arbeitslos, depressiv, spielsüchtig und hoch verschuldet, kennen, der ebenfalls unter einem “vielsagenden” Pseudonym auf Männerjagd ist. Bevor Pezi den 1000er einlochen kann, taucht Minki auf, die fescheste Katz von Meidling, Pezis Jugendliebe. In Herrn Özgüls Internetcafà© treffen Pezi und Minki aufeinander - und verlieben sich. Stammgäste bei Özgül sind auch die Gans Mimi, eine erfolgreiche Chansonette im Klimakterium, die Eheprobleme mit dem Drachen Dagobert hat. Der schaut sich nämlich im Internet ständig Pornos an und bringt außer “Bussi Bussi” kaum ein vernünftiges Wort raus. Statt auf “duden.de” an seinem Wortschatz zu arbeiten, surft er auf “tuttln.at” und ist da ganz in seinem Element. Als auch noch die beiden Penner Kasperl und Tintifax auftauchen und Großvatis Trafik überfallen wollen, ist das Chaos perfekt.

Susanne Altschul; Foto: Martin Bruny

In bester “Avenue Q”- oder auch “Villa Sonnenschein”-Manier werden die Puppen von Darstellern geführt. Die Puppenspieler leihen den Puppen ihre Stimme, sie tanzen, sie agieren, so als wären sie eins. Mitunter wird dieses Konzept gebrochen, wenn beispielsweise eine Puppe von ihrem Puppenspieler Hilfe bei Tätigkeiten verlangt, die die Puppe als solche nicht verrichten kann (Blumen aus dem Blumenpapier auswickeln zum Beispiel). Man könnte meinen, dass dieses Konzept etwas verwirrend ist, weil man sich weder auf die Puppen noch auf die Darsteller voll konzentrieren kann. Das Problem löst sich aber nach einigen Minuten von selbst, weil man dann sicher für sich eine Entscheidung getroffen hat. Und wer will, kann sich ja eine zweite Runde im Simpl geben.

Als Puppenspieler am Werk: Vollprofis auf dem Gebiet des Musicals: Susanne Altschul (”Elisabeth”, “Freudiana”, “Les Misà©rables”),
Claudia Rohnefeld (”The Wild Party”, “Strangers in the Night” und “Camelot”), Sigrid Spörk (”Sommernachtsträume”, “Die Geggis”),
Roman Frankl (”Kiss me, Kate”, “Hello Dolly”), Otto Jaus (”Jekyll & Hyde”, “Les Misà©rables” und “Das Lächeln einer Sommernacht”),
Ronald Seeboth (u. a. Lehrer am Performing Arts Center) und Roman Straka (”Elisabeth”, “Jesus Christ Superstar”, “Assassins”).

Claudia Rohnefeld; Foto: Martin Bruny

Gesungen und gesprochen wird fast durchgehend im Wiener (Meidlinger) Dialekt. Dialekt ist immer eine schwierige Sache. Man muss sich drauf einlassen, ganz oder gar nicht. Mal ein paar Worte im Dialekt einzustreuen wirkt manchmal sehr sehr gekünstelt. Dialekt ist auch eine sehr intime Sache. Wer im Dialekt spricht, offenbart oft mehr von sich als er eigentlich will. Dialekt ist eine sehr gefühlsintensive Sprachebene, verglichen mit der glatten Hochsprache. Dialekt muss man ohne Zurückhaltung rauslassen. Da gehört schon mal ein gepflegtes “Oarsch” dazu. Wobei die Grenze zwischen einem vulgären “Oarsch” und einem, über den man noch lachen kann, auch keine ganz so einfach zu bewältigende Sache ist. Denn glaubhaft sollte es dann doch sein.

Am meisten werden diejenigen die Show genießen, die in Krapfen reinbeißen, ohne vorher nachzudenken, ob ihnen gleich die Marmelade aufs Hemderl spritzt, diejenigen, die mit Wonne grünen Slime mit den Fingern geknetet haben, Leute, die nicht eben zusammenzucken, wenns um Oarschlöcher geht und die nicht den Saal verlassen, wenn Puppen ficken. Oder aber Leute, die das schon immer gerne mal gemacht hätten (also nicht das mit den Puppen), aber sich nicht trauen. Es hat keinen Sinn, groß drumherum zu reden, in “Krawutzi Kaputzi” werden die Dinge beim Namen genannt und auch explizit gezeigt, denn letztendlich sind es ja Puppen, dies miteinander treiben.

Johannes Glück, Sigrid Spörk, Erwin Bader; Foto: Martin Bruny

“Krawutzi Kaputzi” ist ein charmantes, präzise getimtes Spiel mit Worten auf einer bestimmten Zielebene. Hier wird nicht burgtheaterreife Unterhaltung angestrebt, eher schon ist es eine musikalische Wuchtel-Parade, Blödeln auf hohem Witzniveau. Die Songs leben vom Wortwitz, der in den meisten Fällen einen, wenn möglich, hysterischen Lacher im Publikum als absolutes Ziel hat. Es hätte nicht viel Sinn, Textbeispiele zu bringen, denn wirksam sind Wuchteln meistens nur live.

Johannes Glück hat den Puppen und ihren Darstellern eine Reihe von lieben Melodien auf den Leib geschrieben, in denen es um Drogen, Minderheiten, Ausländerfeindlichkeit, Suizid, Depressionen, den ORF und andere aktuelle Themen geht, neben den ewig aktuellen Themen: Liebe, Eifersucht und Tod. Dass auf der Bühne des Simpls, die die Ausmaße eines kleinen Wohnzimmers hat, kein Orchester und auch keine Band den Sound liefern kann, schlicht weil kein Platz ist, die Musik also vom Band kommt, ist in dem Fall egal. Viele der Songs haben einen Touch Melancholie, etwas Berührendes, andere einen gehörigen Kick an frechem Witz. Es sind durchwegs Ohrwürmer, die innerhalb der Show perfekt funktionieren. Eine Cast-CD der Produktion ist für den Herbst 2007 geplant.

Ja, “Krawutzi Kaputzi” wäre ohne die “Wickie, Slime & Piper”-Welle einen Kick innovativer gewesen, auch ohne Puppenspiel-Musicals wie “Avenue Q” oder “Villa Sonnenschein”, aber es ist legitim, vorhandene Trends zu erkennen, zu verarbeiten und in eine eigene Form zu gießen, und so präsentiert sich “Krawutzi Kaputzi” als stimmiges und mitreißendes “Avenue Meidling” mit einem eigenständigen USP, nämlich als Dialektmusical. Bei so vielen wirklich hervorragenden Zutaten wie Musik, Text, Inszenierung (Werner Sobotka), Bühnenbild, Licht, Puppen sind dennoch die Puppenspieler der wahre Volltreffer und ideal besetzt. Das Ensemble ist eine Mischung aus erfahrenen Darstellern wie Susanne Altschul, Roman Frankl oder Ronald Seeboth bis hin zu Musicalstudenten wie Otto Jaus, der bei “Krawutzi Kaputzi” seine erste tragende Rolle in einer relevanten Musicalproduktion mit Bravour, spielerischer Freude und dem für diesen Part notwendigen Charme spielt. Roman Straka, in vielen Rollen bei den Vereinigten Bühnen Wien eher mit mittleren und kleineren Parts oder als Zweitbesetzung bedacht, kann in “Krawutzi Kaputzi” viel viel mehr zeigen als in jeder anderen Rolle bisher. Ob als “Zwerg Bumsti”, “Fips” oder “Kasperl”, er überzeugt in jeder Rolle. Claudia Rohnefeld scheint spezialisiert auf Männerrollen. Erst kürzlich gab sie in der Badener Produktion von “Les Misà©rables” den Gavroche, in “Krawutzi Kaputzi” ist sie als depressiver, spielsüchtiger Herr Helmi zu sehen und in einer zweiten Rolle als männergeile Ziegentussi. Beide Rollen gestaltet sie mit Wonne und Spielfreude. Ronald Seeboth gibt einen lässigen, potrauchenden Großvati und in einer zweiten Rolle den dusseligen Dagobert souverän. Sigrid Spörk als Katze Minki ist, schlicht und einfach, entzückend, genauso wie Susanne Altschul als Möchtegern-Diva Mimi, die Gans. Roman Frankl als typischer Meidlinger Türke Özgül spielt souverän die Klischee-Orgel und hat die Lacher immer auf seiner Seite.

Kreativteam
Buch, Liedtexte und Musik: Johannes Glück
Regie: Werner Sobotka
Musikalische Leitung: Erwin Bader
Regieassistenz: Andrea Kern
Regiehospitanz: Julia Screm
Korrepetition: Harald Hauser
Puppenbau: Bodo Schulte/Erika Reimer
Puppentraining: Bodo Schulte
Kostüm: Gaby Raytora
Kostümassistenz: Erika Brausewetter
Maske: Aurora Hummer
Bühnenbild und Puppenentwurf: Markus Windberger/Petra Fibich

Bühnenbildassistenz: Bettina Fibich
Lichtdesign: Pepe Starman
Tondesign: Raphael Spannocchi
Requisite: Julia Schmidleitner
Lichttechnik: Alexander Felch
Tontechnik: Philipp Habenicht
Bühnentechnik: Robert Glass/Robert Saringer
Produktion: Albert Schmidleitner

Cast
Susanne Altschul: Mimi, Frau Maus
Claudia Rohnefeld: Helmi, Ziege
Sigrid Spörk: Minki
Roman Frankl: Özgül
Otto Jaus: Pezi, Tintifax
Ronald Seboth: Großvati, Dagobert
Roman Straka: Fips, Zwerg Bumsti, Kasperl

Vorstellungen und Tickets
Kassa täglich 14-20 Uhr, geöffnet (1010 Wien, Wollzeile 36), Tel. 01/ 512 47 42
Telefonische Bestellung Montag-Freitag 9-12 Uhr, Tel. 01/ 512 39 03
täglich 14-20 Uhr, Tel. 01/ 512 47 42
Schriftliche Bestellungen: Kabarett Simpl, Wollzeile 36, 1010 Wien
“Krawutzi Kaputzi” steht vom 14. Mai bis 30. Juni sowie vom 27. August bis 23. September 2007 am Spielplan des Kaberett Simpl

Die besten 10 Bücher aller Zeiten

125 Schriftsteller wählten ihre 10 Lieblingsbücher, genaugenommen wählten sie:

- The Top Ten Books of All Time
- The Top Ten Books by Living Writers
- The Top Ten Books of the 20th Century
- The Top Ten Mysteries
- The Top Ten Comedies


Das Ganze
gibt es als Buch unter dem Titel “The Top Ten: Writers Pick Their Favorite Books” zu kaufen.

Die gemeinsame Top 10 dieser 125 Autoren hat “TIME” dieser Tage veröffentlicht, und die liest sich wie folgt:

1. Anna Karenina by Leo Tolstoy
2. Madame Bovary by Gustave Flaubert
3. War and Peace by Leo Tolstoy
4. Lolita by Vladimir Nabokov
5. The Adventures of Huckleberry Finn by Mark Twain
6. Hamlet by William Shakespeare
7. The Great Gatsby by F. Scott Fitzgerald
8. In Search of Lost Time by Marcel Proust
9. The Stories of Anton Chekhov by Anton Chekhov
10. Middlemarch by George Eliot

Wer eine Dernià¨re besucht, hat viel zu erzählen

Die Dernià¨re von “Romeo & Julia” im Wiener Raimund Theater war eine lehrreiche Erfahrung, was aktuelle Verhaltensweisen im Theater anlangt. Man kann, wenn man möchte, einige Typen von Theaterbesuchern isolieren:

1) Die internen Mobilkommunizierer
Hat man das Pech, nicht zwei Plätze nebeneinander bekommen zu haben, um während des Stückes LAUT an den GANZ LEISEN Stellen der Show miteinander zu quasseln, KEIN PROBLEM, wozu gibt es Mobile Devices. Schicken wir uns doch einfach SMS, SO OFT es nur geht. Kein Problem, dass das Handydisplay vielleicht ein bißchen grellhell sein könnte. Die Leute hinter mir? Na die seh ich ja nicht, und wenn die was stört, puh. Die neben mir, jo mei. Und die vor mir sehen tatsächlich nichts. Es gibt nun einige Unterarten dieser Spezies. Beispielsweise die Klammerer. Sie halten das Handy die ganze Show über in der Hand und testen alle paar Minuten, ob nicht doch eine SMS gerade neu angekommen ist. Eine andere Spezies geht es gemächlicher an und lässt das Handy lässig am Schoß liegen, bis denn das Display zu strahlen beginnt. Eine dritte Spezies macht es ein klein wenig unauffälliger. Sie verstaut das Handy in der Handtasche und nimmt es alle paar Minuten heraus, um wichtige Botschaften zu senden beziehungsweise zu empfangen. Was wird eigentlich intern kommuniziert? Fragen Sie lieber nicht!

2) Die Gerührten
Die Gerührten sind bei einer bestimmten Stelle emotional so mitgenommen vom dargebotenen Stück, dass ihnen das Wasser buchstäblich hochsteigt und sie aufschnupfen müssen. Nichts Schlimmes daran, das passiert schon mal. Schlecht aber, wenn man von der Handlung derart fasziniert ist, dass man auf so nette Erfindungen wie das faltbare Taschentuch, wahlweise aus Stoff oder Papier, vergisst. Noch schlimmer, wenn man beispielsweise schon nach fünf Minuten so “mitgenommen” ist und dann fortwährend alle exakt 17,5 Sekunden laute Geräusche von sich gibt, die die Betroffene selbst gar nicht mitbekommt, weil sie derart fasziniert an den Lippen von Romeo, Mercutio oder einem anderen Darsteller hängt. Diese Geräusche wandern wahlweise in den linken oder rechten Gehörgang, und ich darf dem geneigten Leser im Vertrauen mitteilen: Nach 60 Minuten löst das mitunter tatsächlich nicht nur Anzeichen von Aggression aus, sondern ist auch mit körperlichen Schmerzen verbunden. Man kann das erst nachvollziehen, wenn man es erlebt hat. Natürlich könnte man der Gerührten ein Taschentuch anbieten, aber wer weiß, vielleicht würde sie dann völlig die Fassung verlieren, und wer will das schon riskieren? Probieren kann man es damit, bei jedem Aufschnupfer etwas gekünstelt zusammenzuzucken und die Verursacherin des Geräusches mal kurz zu fixieren. Ja, manchmal funktioniert das, meistens dann, wenn das angebetete Bühnengeschöpf auf der Bühne gerade den letzten Ton ausgeröchelt hat und bereits in der Kantine ein Bierchen süffelt. Meistens wartet dann die Aufschnupferin auf eine Szene, die sie nicht interessiert, vorzugsweise eine ganz leise, wunderschöne Ballade, und holt dann eine knisternde Packung Taschentücher heraus, um das gewisse Bedürfnis LAUT zu stillen.

3) Die Kreischer
Zugegeben, das kann man fast nicht mehr als Minderheit bezeichnen, aber dennoch, eine merkwürdige Gattung. Wenn man sie in der Pause beobachtet, sind sie durchschnittliche kleine junge oder auch große und alte oder wie auch immer weibliche Wesen, und, ja, auch männliche, wie man zuerst aufgrund des Kreischgeräusches gar nicht vermutet hätte. In Fankkreisen gelten jene Mitglieder der Gruppe als besonders ambitioniert, die einen Gehörsturz schon im ersten Akt auslösen können, sagt man. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin sehr für gute Stimmung im Theater, für Ausgelassenheit, aber ich würde, wenn möglich, gerne das Theater halbwegs als gesunder Mensch verlassen. Und wenn es dann noch möglich wäre, würde ich gerne die Lieder ganz hören. Wenn beispielsweise Lukas Perman “Ohne sie” im Dialekt singt, kann ich weder schrilles und glucksendes LAUTES Lachen noch Kreischen ganz nachvollziehen. Ganz allgemein bevorzuge ich persönlich Applaus, um mein Wohlgefallen zu äußern, und manchmal ein lautes “Bravo”. Durchgängiges schrilles Kreischen, nunja, ich kann schon die Musiker im Orchestergraben verstehen, die sich da die Ohren zuhalten müssen, weil sie sonst einfach nicht weitermachen könnten.

4) Die Mitdirigierer
Eine weitere Spezies sind die Mitdirigierer. Sie sind nicht etwa wie die Sanitäter für Notfälle anwesend, sollte dem Dirigent ob des Gekreisches der Kragen oder wahlweise auch das Trommelfell platzen, sie machen das, wie soll man es bezeichnen, aus Spaß an der Freud. Flink zuckt das Händchen, manchmal auch beide Händchen, und so schnell hast du nicht geschaut, werden Einsätze und neue, fantasievolle Tempi in die Luft gezeichnet, da ist Caspar Richter mit Gedanken noch ganz woanders. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mich lenkt dieses halbspastische Gehabe ETWAS ab.

5) Die lautlosen Karpfen
Wenden wir uns ganz kurz noch einer letzten Gattung zu (nicht, dass es nicht noch viel mehr davon geben würde, aber davon vielleicht ein anderes Mal mehr). Stellen Sie sich vor, sie genießen ein Musical, es wird gerade eine wunderschöne Ballade gegeben, und Sie hören den Sitznachbarn leicht glucksen. Sie gucken nach dem dritten Glucksen vorsichtig hinüber und sehen eine gerade atemberaubende Anstrengung ihres Sitznachbarn, die Ballade tonlos mitzusingen. Es ist diese Anstrengung mit einem Anspannen und Entspannen enorm vieler Gesichtsmuskel verbunden - und sieht einfach ziemlich lächerlich aus. Es hilft alles nicht, Sie müssen einfach ab diesem Zeitpunkt ab und an rübersehen, um das faszinierende Muskelspiel zu beobachten - und ein klein wenig auch deswegen, weil man ja nicht sicher sein kann, ob es nicht doch ein Anfall sein könnte, und dann würde ja der oben erwähnte Sanitäter gerade recht kommen.

Natürlich ist es nicht häufig der Fall, dass sich all die angeführten Verhaltensweisen in ein und derselben Person vereinigen, aber das Leben ist hart, und so kann es schon vorkommen, dass man neben sich einen mitdirigierenden Mobilkommunizierer hat, der Mark Seibert-Fan ist und dem, aufgrund eines fehlenden Taschentuchs oder mangelnder Gelegenheit neben SMS und Dirigentenverpflichtung, der - Pardon! - Rotz Gefahr läuft, einfach, nunja, rauszutropfen, während er in völliger Hingerissenheit “Ich bin schuldlos” mitgluckst. Manchmal ist das Leben tatsächlich hammerhart.

Ich verstehe das ja. Es ist in Zeiten wie unseren schwer, mal 67 Minuten am Stück still zu sitzen. Ich habe dafür wirklich das allergrößte Verständnis und schlage vor, Walk-around-Vorstellungen in den Spielplan zu implementieren. Für diese speziellen Aufführungen gibt es keine fixen Sitzplätze, man muss nämlich auch gar nicht sitzen. An verschiedenen Hotspots werden Erfrischungen und kleine Häppchen gereicht, im ersten Rang ist Rauchen erlaubt, im 2. “Mensch ärgere dich nicht” und ausgewählte Rollenspiele. Die Darsteller bekommen für diese ganz speziellen Abende nur die halbe Gage, weil das Publikum sowieso zu 50 Prozent mit sich selbst, seinen Kommunikations- und sonstigen Bedürfnissen beschäftigt ist.

Nun wie auch immer, die Dernià¨re von “Romeo & Julia” war dennoch wunderschön und ich bin schon gespannt, wer beim nächsten Mal neben mir sitzen wird.

“Wer sich nicht integrieren will, hat bei uns nichts zu suchen”

Nein, das ist nicht die Aussage eines rechtsextremen Politikers, nein, das ist kein Ausschnitt aus einer ausländerfeindlichen Zeitschrift. Das ist die Meinung von Liese Prokopp, ihres Zeichens österreichische Innenministerin, und es ist nur eine von vielen Äußerungen österreichischer Politiker in den letzten Wochen, die meiner Meinung nach dazu beitragen, dass man sich angewidert abwenden möchte. Wo sind wir denn eigentlich? Gerade in Österreich, gerade in Wien, dem Schmelzpunkt vieler Kulturen, gerade in Zeiten, da manche rechtsextreme Partei ansetzt, den Wahlkampf zur nächsten Nationalratswahl wieder über eines der unmenschlichsten aller Themen zu führen, nämlich Rassismus, Fremdenfeindlichkeit etc., muss man sich von einer Vetreterin der Regierungspartei so etwas anhören? Da fragt man sich, ob man als Wiener in einem solchen Land etwas zu suchen haben möchte.

Liebeslyrik zum Abgewöhnen

Im Radio und den Charts treibt seit ein paar Wochen ein Song sein Unwesen, dessen Interpret ernsthaft der Meinung ist, ein “Liebeslied” geschrieben zu haben. Die Rede ist von “Die Eine 2005″ von der Gruppe “Die Firma”. Man glaubt es kaum, dass jemand, der nicht aus der Bronx stammt, tatsächlich einen Refrain wie den folgenden im deutschen Sprachraum veröffentlicht:

“Die eine, die eine oder keine
für keine andre Frau ging ich lieber in den Bau
und keiner andren Frau trau ich mehr über den Weg,
es gibt keine andre Frau mit der ich mich lieber schlafen leg.”

Ein Gefängnisaufenthalt als Liebesbeweis, das kommt sicher gut bei der Angebeteten, zum Drüberstreuen holprige Reime wie:

“hört ihr die Liebe aus den Versen nicht? Es ist kein Märchen,
es war Liebe auf den ersten Blick, du bist mein Mädchen.
bis zu Deiner Entscheidung, waren es schwere Wochen,
aber jedes neue Treffen hab ich mehr genossen”

Haarsträubende Metaphern, Sexismen en masse, wechseln mit tollpatschigen Passagen:

Ich hab die Frau fürs Leben und auch ein Leben danach
und wir fliegen um die Planeten, um die Venus, um Mars
wir waren auf Kuba und in L. A., Miami Beach
und auf der ganzen Welt, gibt es nicht eine wie sie, denn du bist meine Cleopatra.

Möge die Firma nur nicht auf die Idee kommen, uns nochmal mit Ähnlichem zu erfreuen, etwa zur Goldenen Hochzeit.

“Fast Sterben in Wien”

Er saß in der U-Bahn. Erdberg — Landstraße — Stephansplatz. Das Bedürfnis, einfach sitzen zu bleiben, das Gefühl, sich nicht bewegen zu können, zu wollen, wuchs. Das Herz pochte, die Augen fixierten die Streckenkarte überhalb der Eingangstür des U-Bahn-Waggons. Leute starrten ihn an, er glotzte kurz zurück, die einzigen Bewegungen, zu denen er fähig war. Was, wenn er einfach sitzen bliebe. Bis Ottakring, und dann? Einfach nie mehr aufstehen, alles hinter sich lassen. Die Vorstellung hatte etwas Tröstliches. Solange man nicht angekommen ist, ist man noch frei. “Volkstheater” - mit einem Ruck stand er auf und steuerte die Rolltreppe Richtung Ring an. Auch in der Straßenbahn kann man ja für immer sitzen bleiben …
[Peter Vaged, “Fast Sterben in Wien”, 2005]

Das Wunder der Filmsynchronisation

Ich mag synchronisierte Filme ja nicht besonders. Mir fällt dazu immer nur der Spruch ein: “Synchronisierte Filme sind die Rache der Deutschen an den Alliierten” - wer auch immer den geprägt haben mag.
Ich hab mit synchronisierten Filmen ein optisches Problem (es sieht einfach oft unnatürlich aus, wenn eine deutsche Tonspur über ner englischen läuft, und bei Dativ/A .. ne, das führt zu weit) und auch ein psychologisches, denn immerhin muss man sich doch darauf verlassen, dass der/die Übersetzer eines Films auch wirklich so nah wie möglich am Original dran bleibt/bleiben. Sicher, da muß man bedenken, dass ein englischer Satz, wiedergegeben in deutscher Sprache, einfach aus mehr auszusprechenden Buchstaben besteht, aber dennoch, ich hätte es gern doch genau so gehabt, wie es denn auch im Original gesprochen wird.
The Machinist ist ein Beispiel für einen Film, bei dem zumindest in einer Szene eine, sagen wir mal sehr freie Übersetzung gewählt wurde. Der Protagonist antwortet auf die Frage einer Kellnerin, ob er denn etwas zu verbergen habe, scherzhaft:

Er: “I’m Elvis Presley. I ran away from home to pursue my blue collar aspirations.”
Sie: “I thought you looked familiar.”

Übersetzt wurde “I thought you looked familiar” mit “Ja, das kenne ich aus eigener Erfahrung.”

Das sind dann die Momente, wo ich lieber keine deutschen Fassungen mehr hören möchte.

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