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Volksoper Wien: »Die spinnen, die Römer!« (2011)


Das Jahr 1962 war für Stephen Sondheim ein sehr wichtiges. Mit »A Funny Thing happened on the Way to the Forum« feierte sein erstes Musical, für das er Text und Musik geschrieben hatte, seine Broadwaypremiere. Diese Show war jedoch nicht nur für Sondheim von Bedeutung, sie revolutionierte letztendlich auch die Art und Weise, wie Musicals auf den Weg gebracht werden. Erstmals probierte der Komponist beim »Forum« sein Material in später so bezeichneten »Workshops«. Bis dahin war der Produktionsprozess ein klar geregelter: Der Autor/Komponist schrieb die Show, der Produzent entschied sich, sie zu machen, die Cast wurde fixiert, es wurde geprobt und die ganze Show in Form von Tryouts präsentiert. Bis zum ersten Tag der Probe wurde das vorhandene Material nicht getestet, wenn eine Show bei den Tryouts nicht klappte, musste man sie in einem relativ engen Zeitrahmen optimieren, und so ist es eine bekannte Tatsache, dass in der Goldenen Ära des Musicals (1925 bis 1960) der erste Akt vieler Musicals weit besser war als der zweite. Einfach weil man für den zweiten zu wenig Zeit hatte.
Bei Sondheims »Forum« fand der erste Test der Show im Rahmen eines »Readings« statt. In einem großen Raum mit einem Klavier spielte Sondheim die Songs, als Interpreten wurden Darsteller engagiert, die auch für die tatsächliche Produktion in Frage kamen. »Workshops” gab es danach viele Jahre später auch für Sondheims »Company«, »Follies« und »A Little Night Music« – und mit der Zeit erkannte die ganze Branche die Vorteile dieser Arbeitsweise. Begonnen aber hat alles mit dem »Forum«.

Sondheims »Forum« hat in vieler Hinsicht Theatergeschichte geschrieben und für Diskussionen gesorgt. Es gilt unter anderem als ein prominentes Beispiel dafür, wie eine geniale Eröffnungsnummer zum Erfolg führen kann, denn erst als Jerome Robbins mitten in den Arbeiten an der Broadwayproduktion als Showdoktor hinzugezogen wurde und die usprüngliche Eröffnung »Love is in the air« durch »Comedy Tonight« ersetzte, war dem Publikum von der ersten Sekunde an klar, womit man es bei dieser Show zu tun hat – mit grenzenlosem Spaß.
»Forum« war auch das erste Musical, das der legendäre Hal Prince alleine produzierte, sein Partner Bobby Griffith starb am 7. Juni 1961, mitten in den Arbeiten an der Broadwaypremiere des »Forums«. Und das »Forum« war George Abbotts letzter Musical-Erfolg, den er mit der Hilfe von Jerome Robbins erzielte.

Das Buch zur Show stammt von Burt Shevelove, einem langjährigen Freund Sondheims, und Larry Gelbert. Seine Wurzeln hat Sondheims »Forum« in dem Musical »When in Rome« (stammend aus dem Jahre 1942), zu dem Shevelove Buch und Texte beigesteuert hat und Albert Selden die Musik. »When in Rome« hat »das Beste von Plautus« zum Inhalt und wurde an der Yale Dramat uraufgeführt, in der Regie Sheveloves. »Forum«, so Steven Suskin in seinem Buch »Showtunes«, ist:

»suitable witty but somewhat brittle, restrained by the needs of the piece. ‚Everybody ought to have a maid‘, ‚Comedy Tonight‘, ‚Impossible‘, and ‚Free‘ all display verbal dexterity, but the only truly melodic song in the score is the puposely vapid »Lovely‘ – which was written as a farce duet for two middle-aged men, and only given to the young lovers in tryout desperation when a more authentically tender duet was cut. It wasn’t until »Company‘ [Uraufführung am 26. April 1970] – a depressingly eight years later – that Sondheim’s music began to receive true recognition.”

Tatsächlich wurde Sondheims »Forum« bei den Tony Awards reichlich mit Nominierungen bedacht. Acht davon waren für Sondheim reserviert, sechs davon gewann die Show. In einer Kategorie, und der für den Komponisten natürlich wichtigsten, dem »Best Score«, war für Sondheim aber nicht mal eine Nominierung drinnen. Finanziell jedoch war die Broadwayshow ein Erfolg, und es ist nach wie vor der größte Hit, den Sondheim jemals am Brodway hatte, mit 964 Aufführungen.

Das Motto der großen Musicalproduzenten im deutschsprachigen Raum lautet derzeit »Fun«. Lustig muss es sein, »Drama« ist immer weniger gefragt, zunehmend ein Risikofaktor, wenn doch Drama programmiert wird, dann handelt es sich oft um Gegengeschäfte und Revivals aus schierer Verzweiflung, die dann als »Geschenke an das Publikum« verkauft werden. »Lustig« bedeutet hierzulande meist unglaublich primitiv platter Humor, aufbauend auf den gesammelten Werken eines Schlager- oder Popinterpreten beziehungsweise wird eine nett angerichtete Pastiche-Platte mit Werken, komponiert im Stile von … serviert. Das Fatale daran: Dieser Trend hält nun schon so lange an, dass viele den Eindruck gewinnen könnten, das sei tatsächlich »Musical«, was man ihnen da vorsetzt. Man spricht dann von der ungeheuer großen Bandbreite des Genres und der enormen Vielfalt des Musiktheaters, man solle doch nicht so kleinkariert sein. Ganze Generationen von Musicalstudenten werden mit Disney-Plastik unterrichtet und in die Leyay/Kunze-Familie hineinmodelliert. Nun, auch Bratwürstel sind essbar. Das ist richtig. Musical aber war ursprünglich doch auf einer etwas feineren Schiene angesiedelt. Man hat tänzerische Elemente nicht in der Show gehabt, weil es ein Punkt war, den man abhaken musste, die Musik bestand nicht nur aus einem Primitivrefrain, der sich ad infinitum wiederholt, oder aus purem Rhythmus, und die Texte wurden nicht unter dem Motto geschrieben: »Ich muss als Autor nicht klüger sein als das Publikum«, also quasi mit dem Subtext: Alles, was ich mache, auch der größte Topfen, ist so unendlich genial, weil ich es ja bewusst und absichtlich schlecht mache.

An der Wiener Volksoper hat man eine eigene Zeitrechnung, was Musicals betrifft. Die zeitliche Trennlinie zwischen dem, was man für produzierbar hält am Haus und allem anderen ist mit einem Namen verbunden: Andrew Lloyd Webber, sozusagen der Antichrist jedes traditionellen Broadwayfanatikers. Auf der einen Seite ist diese Programmpolitik nachvollziehbar, auf der anderen Seite macht man sichs damit natürlich zu leicht, weil auch seit Herrn Webbers größten Erfolgen herausragende Musicals entstanden sind, die mit dem von ihm vertretenen Stil nichts zu tun haben.

Mit Sondheims »Forum« hat die Volksoper, das kann man sagen, die Kritiken zusammenfassend, eine hervorrragende Produktion auf die Bühne gestellt. Die Nachfrage nach den Tickets ist enorm, schon jetzt bemüht man sich Zusatzvorstellungen einzuschieben (so am 28. und 30. Januar 2012). Liest man sich die publizierten Rezensionen durch (siehe Links unten), so wird praktisch alles gelobt, angefangen vom Setdesign (Friedrich Despalmes), das sehr wirkungsvoll den comicartigen Charakter der Show betont, der Lichtgestaltung (Michael Grundner), bis hin zur Choreografie (Ramesh Nair), bei der manche Kritiker betonen, dass sie die Darsteller nicht gerade fordere. Da wird die Leichtigkeit, die auf der Bühne zu sehen ist, wohl als Zeichen von Unterforderung gedeutet, was aber praktisch nie der Fall ist. Vielmehr ist diese Leichtigkeit Resultat von beinhartem Training und exaktem Timing. Glanzstücke wie die Einlagen der »Kurtisanen« Wilbirg Helml, Eva Prenner, Jennifer Kossina, Caroline Ciglenec, Lynsey Thurgar und Miriam Mayr – begeistert beklatscht vom Publikum, zeigen, dass der Tanz im Musical auch »organisch« integriert sein kann ohne den Wert eines abgehakten Punkts auf der Liste »Wie mach ich aus Schlagern ein Muuusikal« zu haben. Mit welcher Leichtigkeit auch Oliver Liebl, Tom Schimon und Ronnie Vero Wagner Dutzende Kostümwechsel in Blitzestempo, witzige Choreografien absolvieren, großartig. Die vielen kleinen Moves aller Darsteller, Gesten, all das hat Nair genial geplant und umgesetzt, innerhalb der Regie Werner Sobotkas.

Dass das »Forum« sehr früh in Wien gelandet ist, nämlich erstmals 1987 im Kabarett Simpl, liegt am Gespür des damaligen Direktors von Österreichs berühmtestem Kellerkabarett, Martin Flossmann. Er erkannte, wie sehr sich die Struktur dieses Musicals für die Programmierung im Haus der legendären Simpl-Revuen eignet. Der erste Akt ist im ersten Teil, wie es Sondheim formuliert, »more exposition than action«, in der ersten Häfte dieses ersten Akts hat Sondheim die meisten Songs seiner Show untergebracht, danach werden die Lieder seltener und die Farce nimmt zunehmend Tempo auf, in den letzten 20 Minuten vor dem Finale der Show gibt es gar kein Lied mehr, da wird das »Funny Thing« zu einer einzigen irrwitzigen Verfolgungsjagd, rasant, jede »Unterbrechung« würde da den Drive der Farce killen. Flossmanns Übersetzung wurde von Werner Sobotka, dem Regissseur der Volksopernversion, bearbeitet, etwa um einige kleine Spitzen ergänzt (zum Beispiel »keine Vampire« als kleiner Seitenhieb im Song »Comedy Tonight«), fast schade, dass man akustisch nicht wirklich alles mitbekommt von den kleinen Schmähs im Text. Sobotka hat mit dem »Forum« ein ideales Stück gefunden, das vom Material her stimmt, bei dem sich auch tatsächlich die Arbeit lohnt, dieses Drehen am Timing, das Perfektionieren des reibungslosen Ablaufs, den er in Interviews mit einem Uhrwerk verglichen hat. 19 Darsteller müssen ein gemeinsames Timing haben – wie die Zahnräder in einem Uhrwerk. Es ist Slapstick in vielen Momenten, aber intelligent inszenierter, ohne dass man sich fremdschämen müsste, weil die Leute da rundherum im Saal laut lachen – man lacht ja selbst mit.

Ein Meisterstück das Casting – keine Rolle, die nicht von den Darstellern mit Leben erfüllt wird. Robert Meyer outriert sich als Pseudulus durch die Show, dass es eine Freude ist. Gilt im Simpl das Motto, dass ein Gag nur gut ist, wenn laut gelacht wird, und eine Simpl-Revue nur dann gelungen ist, wenn andauernd laut gelacht wird, ist der Wiener Volksoper mit dem »Forum” die beste Simpl-Show seit vielen Jahren gelungen. Jede Szene, jedes Lied wird beklatscht, fast jeder Gag trifft ins Schwarze, es sind vergleichbar harmlose Scherze, die keine Randgruppen in fast alltagsrassistischer Art und Weise dauerdiffamieren, wie das in jüngster Zeit im Simpl immer öfter gemacht wird. Das ist Sondheims Anliegen nicht, in seinem »Forum« gehts um Liebesqualen, Ehejoch, Verkleidungen, Verwechslungen, Zaubertränke, verschollene und wiedergefundene Nachkommen und den Wunsch nach Freiheit. Herbert Steinböck als lüstelnder Senex, Dagmar Hellberg als hantige Domina, Boris Pfeifer am Dauerrotieren, Sigrid Hauser als Lycus und Gernot Kranner als Erronius, sie liefern einen Gag nach dem anderen. Ein Fest. Wenn man liest, wie in einer Kritik die Leistung Paul Schweinesters mit dem Vermerk

“Der vom jungen Paul Schweinester verkörperte Hero wird Caruso nie Konkurrenz machen, wirkte aber als der naive Held des Musicals sehr sympathisch.”

etwas kleingemacht wird, könnte man dem entgegenhalten, dass Schweinester es großartig versteht, seine klassisch ausgebildete Stimme im Musicalgenre passend einzusetzen, was oft eines der größten Probleme von Musicalproduktionen an Opernhäusern überhaupt ist. Das ist keine Selbstverständlichkeit, und dass er darüber hinaus als Hero schauspielerisch all das zeigt, was im Rahmen dieser wie aus einem Comic entsprungenen und auch mit Absicht so inszenierten Figur (inklusive Sprechblasen) drinnen ist, sollte man auch nicht unerwähnt lassen. Es sind manchmal die kleinen Gesten und es ist auch eben die Leichtigkeit und Glaubwürdigkeit, die hart erarbeitet werden müssen. Ebenso wie Bettina Mönch das fleischgewordene Barbiepüppchen und wie Florian Spiess den selbstverliebten Schwarzenegger-Zinssoldaten mit Brei im Hirn perfekt abliefern.

An einigen wenigen Stellen hätt’s vielleicht noch etwas Maschinenöl gebraucht in der Show, etwa bei einer Persiflage einer »Tanzszene« von Dagmar Hellberg, aber wenn man bedenkt, was für eine Produktion hier für relativ wenige Vorstellungen auf die Beine gestellt wurde und dass sich das bei täglichen Aufführungen innerhalb einer Woche locker eingespielt hätte, kann man diesen »Römern« nur wünschen, dass sie mindestens zehn Jahre immer wieder am Spielplan stehen werden, auf dass man sie immer wieder besuchen kann. Das ist Musical, für das man sich nicht genieren muss, umgesetzt von famosen Darstellern und dem groß aufspielenden Orchester der Wiener Volksoper unter der Leitung von David Levi.

Die spinnen, die Römer!
Buch: Burt Shevelove/Larry Gelbart
Musik und Liedtexte: Stephen Sondheim
Deutsche Fassung: Martin Flossmann,
für die Volksoper eingerichtet von Werner Sobotka

Leading Team
Regie: Werner Sobotka
Bühnenbild: Friedrich Despalmes
Kostüme: Elisabeth Gressel
Choreographie: Ramesh Nair
Licht: Michael Grundner
Dramaturgie: Christoph Wagner-Trenkwitz
Regieassistenz & Abendspielleitung: Rudolf Klaban
Musikalische Studienleitung: Gerrit Prießnitz
Korrepetition: Eric Machanic/Wonseon Huh
Soloklavier: Bà©la Fischer
Choreographische Assistenz: Lili Clemente
Inspizienz: Michael Weber/Elisabeth Schubert
Souffleur: Maria Kaiser
Bühnenbildassistenz: Eva-Maria Schwenkel
Kostümassistenz: Catarina Visconti di Modrone
Regiehospitanz: Julia Wagner
Techische Gesamtleitung: Friedemann Klappert
Technische Einrichtung: Andreas Tuschl
Technische Mitarbeit: Benjamin Häusler
Beleuchtung: Wolfgang Könnyü
Tontechnik und Multimedia: Martin Lukesch
Leitung Kostümabteilung: Doris Engl
Leitung Maske: Peter Köfler
Zusätzliche Arrangements: Bà©la Fischer, David Levi

Dirigent: David Levi
Orchester der Volksoper Wien

Cast
Pseudolus, Sklave des Hero: Robert Meyer
Senex, Bürger von Rom: Herbert Steinböck
Domina, Frau des Senex: Dagmar Hellberg
Hero, deren Sohn: Paul Schweinester
Philia, eine Jungfrau: Bettina Mönch
Hysterium, Sklave von Senex und Domina: Boris Pfeifer
Lycus, ein Kurtisanenhändler: Sigrid Hauser
Miles Gloriosus, ein Krieger: Florian Spiess
Erronius, Bürger von Rom: Gernot Kranner
Die Zwillinge, Kurtisanen: Wilbirg Helml
Die Zwillinge, Kurtisanen: Eva Prenner
Gymnasia, Kurtisane: Jennifer Kossina
Tintinabula, Kurtisane: Caroline Ciglenec
Vibrata, Kurtisane: Lynsey Thurgar
Panacea, Kurtisane: Miriam Mayr
Drei Männer: Oliver Liebl
Drei Männer: Tom Schimon
Drei Männer: Ronnie Verà³ Wagner

Premiere: 17. 12. 2011

Aktuelle Termine
Di. 27. Dez 2011, 19:00
So. 08. Jan 2012, 19:00
Mi. 11. Jan 2012, 19:30
Sa. 28. Jan. 2012, 19:00
Mo. 30. Jan. 2012, 19:30
Sa. 12. Mai 2012, 19:00
Do. 17. Mai 2012, 19:00
Fr. 18. Mai 2012, 19:00
Sa. 19. Mai 2012, 19:00
Do. 24. Mai 2012, 19:00
Sa. 26. Mai 2012, 19:00
Di. 29. Mai 2012, 19:00
Fr. 01. Juni 2012, 19:00
So. 03. Juni 2012, 16:30
Di. 12. Juni 2012, 19:00
Do. 28. Juni 2012, 19:00

(Tickets–> hier. Karten bis Mai 2012 sind bereits erhältlich!)

Links
- Die Presse: Volksoper: »Nichts Dezentes! Outrieren!«
- OÖ Nachrichten: Spinnende Römer, viel Klamauk und tolle Musik
- Kurier: Römer-Musical: Turbulent bis zum Happy-End
- Standard: »Schlagt mich! Gebt mir Tiernamen!«
- Der Neue Merker: WIEN/ Volksoper: DIE SPINNEN, DIE RÖMER . Premiere
- Wiener Zeitung: Ulk mit Potenzial
- Österreich: Volksoper mit spinnenden Römern
- Kleine Zeitung: Ein lateinisches Gaudium
- pr-inside.com/APA: “Die spinnen, die Römer” in der Wiener Volksoper
- ioco.de: Wien, Volksoper Wien, Premiere Die spinnen die Römer, IOCO Kritik

- Österreich: Volksoper: Direktor Meyer als Sklave
- Standard: Volksoper: “Da muss noch ein Arm hin!”
- Ö1: Die spinnen, die Römer!
- Ö1: Neues Musical an der Volksoper Wien
- Wiener Zeitung: Ein Uhrwerk namens Musical-Komödie
- K2: Die spinnen in der Volksoper … die Römer
- mycentrope.com: Die spinnen, die Römer! In der Volksoper Wien

Zwa Voitrottln: »VBW-Single” als iTunes-Download

Dieter Hörmann, Johannes GlückDas Wiener Singer/Songwriter-Duo »Zwa Voitrottln” (Johannes Glück & Dieter Hörmann) liefert knapp vor Weihnachten noch einen satirischen iTunes-Download ab, quasi als preisgünstiges Last-Minute-XMas-Gift für unser aller von der KRISE gebeuteltes Brieftascherl – und im Speziellen für all jene ins Musicalgenre Vernarrten, die in diesem Jahr Geld gespart haben, weil sie nicht auf das verlockende Angebot der Vereinigten Bühnen Wien eingegangen sind, statt einer Weihnachtsshow das Prequel zu »Ich war nichts, nicht mal in New York«, die lustige 50er- & 60er-Jahre-Show mit den Hits, die in den 70ern schon oarsch waren, zu buchen.

Die »VBW-Single« ist ab sofort erhältlich und kommt mit folgender Erklärung:

Um Gottes Willen! Zwa Voitrottln befinden sich plötzlich in einem Musical der Vereinigten Bühnen Wien. Das Stück ist typischer Weise teuer und schlecht aber hoch subventioniert. Albtraum oder Realität? Beides! Die VBW produzieren seit Jahren eigenartige kommerzielle Musicals, werden dafür jährlich mit vielen Millionen Steuereuros subventioniert - und machen trotzdem noch Verlust. Oida?! Wo geht die ganze Kohle hin?? Das fragen sich nicht nur Zwa Voitrottln, sondern u.a. der Rechnungshof, das Kontrollamt der Stadt Wien, die Opposition im Wiener Gemeinderat, aufmerksame Journalisten und immer mehr Theaterinteressierte, die ein wenig hinter die Kulissen blicken.
Zu diesem erschütternden Song haben Zwa Voitrottln eine wichtige persönliche Mitteilung an ihr geschätztes Publikum:
“Wir möchten uns ausdrücklich und schon im Vorhinein entschuldigen, dass wir dieses unappetitliche Thema aufgreifen mussten. Falls Sie - wie zu erwarten - während des Lieds schwere Übelkeit überkommt, vergessen Sie bitte eines nicht: Diese Nummer dauert nur vier Minuten. ‘Rebecca’ dauert zwei Stunden. Außerdem bekommen Sie bei den VBW für 90 Euro einen Schas. Bei uns bekommen Sie für 90 Cent Zwa Voitrottln. Dankeschön.”

Zum Download via iTunes gehts –> hier.

Hunter Parrish: »Beautiful City« (»Godspell«)

18 Wiener Theaterbühnen gründen »Plattform zeitgenössischer Theater- und Tanzhäuser«

18 Wiener Bühnen haben sich zur »Plattform zeitgenössischer Theater- und Tanzhäuser” (PZTT) zusammengeschlossen. Mit dabei sind:

- 3raum-Anatomietheater
- brut
- Das Off Theater
- Dschungel Wien
- Garage X
- Kabinetttheater
- KosmosTheater
- Lilarum
- Palais Kabelwerk
- Rabenhof
- Salon 5
- Schauspielhaus
- TAG
- Tanzquartier Wien
- Theater Drachengasse
- Theater Nestroyhof Hamakom,
- Theater Spielraum
- WUK

Der Anlass dafür ist die im Moment stattfindende Evaluierung der Wiener Theaterreform, die Neubesetzung der Wiener Theaterjury sowie die voranschreitende Prekarisierung der Theaterschaffenden. Anfang 2012 wird die PZTT an die Öffentlichkeit treten. [ots.at]

Volksoper Wien: Weihnachtskonzert (2011)

xmvolksoper.jpgWeihnachtsshows, es gibt sie noch, die echten, mit viel Gefühl, großem Ensemble, mit dem bisschen Kitsch, das es manchmal braucht, ganz viel guter Laune, mit beeindruckenden Stimmen, Tanz, einem wunderbaren Orchester, zwei Chören, mit stimmungsvollen Lesungen … so eine richtig schöne Weihnachtsshow eben. Keine Ankündigung am Anfang (wie bei der einen oder anderen Show), dass man als Privatmensch die ganze Weihnachtszeit eigentlich nicht mag … Lichter, Glitzern, Stimmung, WEIHNACHTSLIEDER um GOTTES WILLEN, wer will sich das schon mehr als zwei Wochen, mehr als eine Woche oder auch nur mehr als einen Tag vor dem Weihnachtsfest antun. Nein, es gibt auch noch Theaterhäuser, wie die Wiener Volksoper, die das, was sie in ihren Vorankündigungen versprechen, auch halten, und ganz offensichtlich mit großer Lust und Freude. Fast geradezu ansteckend, so dass vielleicht auch so mancher »Scrooge« da draußen, der an Weihnachten nicht glaubt, mit einer solchen Show bekehrt werden würde.

Die Wiener Volksoper, so viel steht fest, wollte am 18. Dezember mit ihren zwei Weihnachtskonzerten (um 14 Uhr und um 19 Uhr) das Publikum in weihnachtlicher Deko in der Szenenlandschaft von »Hänsel und Gretel« in weihnachtliche Stimmung versetzen, die Darsteller sangen gemeinsam mit dem Publikum, man hatte Spaß an den Liedern, am Tanz, an den Lesungen, man lockte niemanden ins Theater, um dann Songs aus der Schlagerparade von 1974 zu trällern. Die Bandbreite der Show war groß, sie reichte von Aaron Copland bis zu Tschaikowsky, von Mariah Carey bis zu Leonard Bernstein.

In der Tat war die Bandbreite so groß, dass das Publikum auch ganz individuell auf einige Künstler reagierte. Sandra Pires etwa begeisterte im Gegenwartssektor des Programms mit einer Interpretation von Mariah Careys & Walter Afanasieffs »Miss you most (at Christmas Time)« die Zuschauer, bei »The Twelve Days of Christmas« rackerte sie sich ab wie wild, um das Publikum zum Mitsingen zu animieren, der Direktor selbst gab sein Bestes, um bei der neuen deutschen Version, die davon erzählt, was man an den zwölf Weihnachtstagen so alles isst, das auf die Taille schlägt, seinen Einsatz nicht zu verpassen und brüllte »Essiggurkerl« von seiner Loge auf die Bühne. Nachmittags war der Song ein Spaß auch für die vielen Kinder im Saal, am Abend für alle Junggebliebenen. Natürlich nicht für alle, denn es gibt auch jene Teile des Publikums, die es doch lieber unverstärkt haben. »Mikrophonstimmen«? Och nee! Das geht so weit, dass man den Applaus verweigerte – aber wurscht, das machte der Enthusiasmus vieler anderer wett. Dass »verstärkte Musicals« nach wie vor für einige gar nicht gehen, zeigt auch eine Kritik zur jüngsten Musicalproduktion (»Die spinnen, die Römer!«) der Wiener Volksoper. Schreibt doch der Rezensent des »Neuen Merker«: »Es fällt übrigens schwer, über Gesangsleistungen zu urteilen, weil alle Auftretenden leider mit Mikrophon arbeiteten.« Das freilich bleibt dahingestellt und ist längst nicht gängige Meinung. Was man jedenfalls sagen kann: Der Ton war gut ausbalanciert, sowohl bei den »(Hand-)Mikro«-Sängern als auch bei allen anderen.

Christoph Wagner-Trenkwitz gab an diesem Abend den Vorleser: »Wer glaubt noch an den Weihnachtsmann« von Janina David und »Das Weihnachtsfest des alten Schauspielers Nesselgrün« von Salomo Friedlaender, sehr amüsant vorgetragen und auch passend zur Stimmung des Abends, der als Plädoyer für die Weihnachtszeit gelten kann. Weihnachten, gar einmal pro Monat?

»Es ist ein Mangel an künstlerischer Kraft. Müsst ihr immer erst ins Theater gehen, Leute, oder auf Traum und Fastnacht, auf Rausch und Irrsinn warten, ehe ihr so kühn werdet, die Natur zu dirigieren? Ist nicht Weihnachten ein so schönes, erquickliches Fest, dass man es mindestens einmal in jedem Monat feiern sollte? Glaubt mir altem, ausgedienten Manne!«
Damit schleuderte er Konfetti und künstlichen Schnee auf die Straße, und in einem Nu steckte er das kindliche Volk mit seiner Begeisterung an. Die allezeit zu Scherz, Fest und Freude aufgelegte Jugend riss die Eltern mit sich fort. Alle Gärtnerläden wurden geplündert. Bald flammten Lichtbäume an allen Fenstern; man sang heilige Lieder. Der kleine Ort war die ganze Nacht hindurch voller Fröhlichkeit. »Es ist der schönste Erfolg, den jemals ein Schauspieler errungen hat!«, seufzte Nesselgrün. [Salomo Friedlaender]

Der junge Benedikt Vogt aus dem Kinderchor der Wiener Volksoper hatte bei »Adeste Fidelis« sein großes Solo, und gemeinsam mit dem Kinderchor gab der Tenor Otoniel Gonzaga – natürlich unverstärkt – ein beeindruckendes »O Holy Night«. Auch eine Vorschau auf die nächste »Musical«-produktion der Wiener Volksoper wurde geboten: Eine konzertante Version von Leonard Bernsteins »Candide« wird es werden.
So feiert man Weihnachten stimmungsvoll und angemessen in der Vorweihnachtszeit!

Besetzung
Elisabeth Flechl, Otoniel Gonzaga, Sebastian Holecek, Martina Mikelic, Sà¡ndor Nà©meth, Sandra Pires, Melba Ramos, Sebastian Reinthaller, Adrineh Simonian, Birgid Steinberger, Christoph Wagner-Trenkwitz

Chor der Volksoper Wien, Einstudierung: Thomas Böttcher, Michael Tomaschek
Kinderchor der Volksoper Wien, Einstudierung: Lucio Golino, Leitung Kinderchor: Brigitte Lehr
Mitglieder des Wiener Staatsballetts: Gala Jovanovic, Ekaterina Fitzka, Elena Li, Natalie Salazar, Josefine Tyler, Veronika Henschovà¡, Oleksandr Maslyannikov
Orchester der Volksoper Wien
Dirigent: Michael Tomaschek
Klavier: Eric Machanic
Moderation: Helene Sommer
Abendspielleitung: Angela Schweiger
Inspizienz: Elisabeth Schubert, Franziska Blauensteiner
Musikalische Studienleitung: Gerrit Prießnitz
Technische Gesamtleitung: Friedemann Klappert
Technische Einrichtung: Andreas Tuschl
Beleuchtung: Wolfgang Könnyü
Tontechnik und Multimedia: Martin Lukesch
Leitung Kostümabteilung: Doris Engl
Leitung Maske: Peter Köfler

Setlist
- »Fanfare for the Common Man« (Aaron Copland): Orchester, Tomaschek
- »Arabischer Tanz« (»Der Nussknacker«/Peter Iljitsch Tschaikowsky/Gyula Harangozà³): Jovanovic, Fitzka, Li, Salazar, Tyler
- »Russischer Tanz” (»Der Nussknacker«/Peter Iljitsch Tschaikowsky/Gyula Harangozà³): Henschovà¡, Maslyannikov; Orchester, Tomaschek
- »Carol of the Bells” (ukrainisches Volkslied/adapt. v. James Brett): Kinderchor, Golino, Machanic
- »Wer glaubt noch an den Weihnachtsmann” (Janina David): Wagner-Trenkwitz
- »Mrs. Santa Claus” (Nat King Cole/arr. v. Bà©la Fischer): Pires, Kinderchor, Machanic
- »The Twelve Days of Christmas” (Frederic Austin/Norman Weichselbraun): Pires, Kinderchor, Machanic
- »Abendsegen” und »Engelreigen« (»Hänsel und Gretel«/Engelbert Humperdinck): Steinberger, Simonian, Orchester, Tomaschek
- »The Little Drummer Boy” (Katherine Kennicott Davis/arr. v. Christian Kolonovits): Nà©meth, Chor, Orchester, Tomaschek
- »Villancico Yaucano« (Amaury Veray): Ramos, Machanic
- »Süßer die Glocken nie klingen” (Friedrich Wilhelm Kritzinger/arr. v. Ernst-Thilo Kalke): Holecek, Machanic
- »Miss You Most (At Christmas Time)” (Mariah Carey/Walter Afanasieff/arr. v. Bà©la Fischer): Pires, Machanic, Orchester, Tomaschek
- Medley: Flechl, Mikelic, Rheintaller, Holecek, Chor, Orchester, Tomaschek
»Kommet, ihr Hirten” (Carl Riedel)
»Es wird scho’ glei’ dumpa (Anton Reidinger)
»Heißa, Buama, steht’s g’schwind auf (Trad.)
»Leise rieselt der Schnee« (Eduard Ebel)
»Stille Nacht« (Joseph Mohr, Franz Xaver Gruber)
»Haben Engel wir vernommen« (Trad.)
- »Das Weihnachstfest des alten Schauspielers Nesselgrün« (Salomo Friedlaender): Wagner-Trenkwitz
- »O Holy Night” (Adolphe Adam/arr. v. Friedrich »Kübler« Hofbauer): Gonzaga, Kinderchor, Orchester, Tomaschek
- »Candide – Finale” (Leonard Bernstein): Steinberger, Mikelic, Rheintaller, Gonzaga, Holecek, Baumeister/Natiesta, Machanic, Orchester, Tomaschek
- »Adeste Fidele” (John Francis Wade/arr. v. Christian Kolonovits): Ensemble (Solo Kinderchor: Benedikt Volz)

Broadway: Neue Musicals ziehen nicht

Die »New York Times« widmet einen Artikel den neu am Broadway angelaufenen Musicals und analysiert, wie schwer sie es in der Publikumsgunst in der letzten Woche hatten. Beispiele:

01) »Lysistrata Jones«: Premiere letzten Mittwoch, gute Kritiken, und dennoch der schlechteste Ticketverkauf der jüngsten Broadwaygeschichte. Acht Vorstellungen letzte Woche brachten genau 123.750 Dollar, das sind 15 Prozent dessen, was möglich wäre. Mindestens 55 Prozent sind nötig, um zumindest die laufenden Kosten abzudecken.

02) »Bonnie & Clyde«: Premiere am 1. Dezember, überwiegend negative Kritiken, Einspielergebnis: 333.379 Dollar (36 Prozent dessen, was möglich gewesen wäre). Letzte Vorstellung: 30. Dezember 2011.

03) »Godspell«: Einspielergebnis: 288.218 Dollar (39 Prozent dessen, was möglich wäre).

Zwei Revivals verkaufen sich derzeit passabel:

01) »On A Clear Day You Can See Forever«: Premiere am 11. Dezember, gemischte Kritiken, 744.076 Dollar Einspielergebnis in der ersten Woche.

02) »The Gershwins’ Porgy and Bess«: Einspielergebnis von zwei Previews: 292.703 Dollar (88 Prozent des möglichen Ergebnisses) oder anders ausgedrückt: Mit zwei Vorstellungen hat die Show mehr eingespielt als »Godspell« und »Lysistrata« jeweils mit acht Vorstellungen.

Link
The New York Times: New Musicals Struggle at Broadway Box Office

Dominik Schwarzer: »Stille Nacht, heilige Nacht«

Link
- Dominik Schwarzer

Broadway: Aus für »Bonnie & Clyde« (erneut)

Die Strategie, »intern«, also zum Beispiel den Ticketverkäufern, zu kommunizieren, dass eine Show tot ist (siehe –> hier), nach außen hin aber zu signalisieren, es könnte doch weitergehen, hilft nichts. Es hilft auch nichts, den Ticketvorverkauf zu stoppen, um das Publikum dazu zu bringen, die verbleibenden Vorstellungen zu stürmen, gleichzeitig aber anzudeuten, dass es doch weitergehen könnte. Das alles ist keine sinnmachende Promotion.

Logische Konsequenz: Am 16. Dezember wurde von den Produzenten auch der Presse gegenüber bestätigt, dass der längst festgesetzte Abschied nun tatsächlich auch feststeht. »Bonnie & Clyde« wird am 30. Dezember 2011 zum letzten Mal im Gerald Schoenfeld Theatre zu sehen sein. Auf 69 Vorstellungen wird man insgesamt kommen.

Link
- Playbill: Bang! Broadway’s Bonnie & Clyde Will Close Dec. 30

Es kann doch so einfach sein: Pralle Brüste hieven »Dreigroschenoper« in die BILD

Natürlich im Namen der Kunst veröffentlichte das Wiener Volkstheater Promo-Bilderchen der neuesten Produktion: »Die Dreigroschenoper« von Bertold Brecht und Kurt Weill. Pralle Brüste und in der Mitte Marcello de Nardo, mit optischem »Jedward«-Update. Der Erfolg stellte sich unmittelbar ein: Die BILD berichtet über eine Wiener Inszenierung eines Stücks von Bertold Brecht und Kurt Weill –> hier. Hauptsache Busen.

Links
- T-Online: Nackte Ansichten bei der “Dreigroschenoper”
- Oe24.at: Bühnenklassiker mit viel nackter Haut
- Wiener Zeitung: Ganoven agieren heute in der Mitte der Gesellschaft
- orf.at: Nackte Haut bei »Dreigroschenoper«
- format.at: Sex sells: Michael Schottenbergs provokante ‘Dreigroschenoper’-Inszenierung
- heute.at: Brecht, alles echt! WIR sind nicht so prüde wie die Deutschen
- oe24.at: Volkstheater: Bare Busen bei Brecht. Publikums-Ansturm auf die nackte »Dreigroschenoper« am Wiener Volkstheater

»Still, Still, Still« / »The First Noel« Sierra Boggess, Lindsay Mendez

Sierra Boggess and Lindsay Mendez sing a mashup of »Still, Still, Still« and »The First Noel« at ASTEP’s New York City Christmas concert at Joe’s Pub. 12/12/2011

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