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Kammerspiele: »Sein oder Nichtsein« – Darf über Nazis gelacht werden?

15. Februar 2012
20:00bis22:00
15. März 2012
20:00bis22:00

Foto: Rita Newman

»Darf über Nazis gelacht werden?« – Das fragt in einer Aussendung anlässlich der bevorstehenden Premiere von Nick Whitbys »Sein oder Nichtsein” die Presseabteilung der Wiener Kammerspiele.

1942 drehte Ernst Lubitsch in Amerika mit der Nazi-Farce »Sein oder Nichtsein« die Vorlage für dieses Bühnenstück und einen seiner bekanntesten Filme. Doch neben begeisterten Reaktionen kam es auch zu Protesten. So wurde ihm vorgeworfen, den Nationalsozialismus scheinbar zu leichtfertig behandelt zu haben, sich über das Leiden der Polen lustig gemacht zu haben, zeigte er doch eine polnische Theatergruppe im besetzten Warschau und ihre heiterkeitserregende Konfrontation mit Hitlers Gestapo.

Letztlich ist die Frage, ob man über Nazis lachen darf, eine rhetorische, denn ums Dürfen ist es ja eigentlich nie gegangen. Dürfen darf man, doch will oder sollte man auch? 1942, als Lubitsch mit seinem Film in die Kinos kam, war das Jahr, in dem auf der Wannseekonferenz die Vernichtung der Juden beschlossen wurde. Lubitsch führte im Film die Figur des »Konzentrationslager-Erhardt” ein und trieb damit krasse Scherze. Auf Kritik reagierte er folgendermaßen:

Ich habe drei Todsünden begangen, so scheint es – ich habe die üblichen Genres missachtet, als ich Melodrama mit komischer Satire und sogar mit Farce verband, ich habe unsere Kriegsziele gefährdet, weil ich die Nazibedrohung verharmloste, und ich habe außerordentlich schlechten Geschmack bewiesen, weil ich das Warschau von heute als Schauplatz für eine Komödie wählte. [New York Times, 29.3.1943]

und

Dieser Film mokiert sich nicht über die Polen; er war nur eine Satire über Schauspieler, Nazi-Geist und bösen Nazi-Humor. Obwohl dieses Bild des Nazismus als Farce gemeint war, zeigte es ihn doch ungeschminkter als viele Romane, Artikel und Filme, die sich mit demselben Gegenstand beschäftigten. [In einem Brief an Herman G. Weinberg, 1948]

1983 produzierte Mel Brooks, wer sonst, ein Remake des Films, das im Vergleich zu Lubitsch unter anderem so bewertet wurde:

Lubitsch treibt mit Entsetzen Scherz; dass darüber erhobenen Hauptes nach wie vor gelacht werden kann, während das Remake von Mel Brooks (1983, Regie Alan Johnson) nur albern wirkt, darin erweist sich die präzise Treffsicherheit von Lubitschs Komödienstil. [mediaculture]

Nick Whitbys Bühnenstück wurde am 14. Oktober 2008 am Broadway im Samuel J. Friedman Theatre uraufgeführt und war da bis 16. November desselben Jahres zu sehen. Mitte März 2012 findet die Wiener Premiere des Werks als österreichische Erstaufführung statt, in den Hauptrollen sind Gregor Bloà©b und Nina Proll als berühmtes polnisches Schauspielerpaar Josef und Maria Tura zu sehen, weiters Martin Zauner als Gestapo-Chef und Stefano Bernardin als Fliegeroffizier in Nöten. Regie führt Peter Wittenberg. Die Geister werden sich mit Sicherheit auch hier wieder spalten.

Nick Whitby: Sein oder Nichtsein
Nach dem Film von Ernst Lubitsch

Regie: Peter Wittenberg
Bühnenbild und Kostüme: Florian Parbs
Musik: Wolfgang Siuda

Darsteller
Josef Tura, Schauspieler: Gregor Bloà©b
Maria Tura, Schauspielerin, Frau von Josef: Nina Proll
Stanislaw Sobinsky, polnischer Fliegeroffizier: Stefano Bernardin
Dowasz, Schauspieldirektor: Peter Scholz
Anna, Garderobiere, Souffleuse, gute Seele: Susanna Wiegand
Rowicz, zweiter Schauspieler: Siegfried Walther
Bronski, Chargenspieler: Ljubisa Lupo Grujcic
Grünberg, Chargenspieler: Gideon Singer
Junger Grünberg, Sohn von Grünberg: Samuel Jung / Simon Jung
Walowski, Staatsdiener der Zensurbehörde: Friedrich Schwardtmann
Professor Silewski, Spion für die Gestapo: Oliver Huether
Gruppenführer Erhardt, Mitglied der Gestapo: Martin Zauner
Sturmführer Schulz, Mitglied der Gestapo: Fabian Stromberger
SS-Standartenträger: Robert Hager, Lukian Guttenbrunner, Benjamin Vanyek, Dominik Hell-Weltzl

Vorstellungstermine
13. und 14. (Voraufführungen), 15. (Premiere), 16., 21., 23., 24., 25. März 2012
Beginn: 20.00 Uhr
Kammerspiele Wien

Link
- Kammerspiele Wien
- mediaculture.oline: Sein oder Nichtsein

4 Kommentare »

  Nina wrote @ Februar 14th, 2012 at 10:08

Und dabei hatte ich vermutet, dass “die Frage” nun endlich abgehakt sei. Lubitschs Film ist doch nun wirklich alt und angesehen genug, um diesen repetitiven Pseudo-Gewissensbiss ad acta zu legen. Im Gegenteil, ich erhoffe mir (v.a. nach den letzten Querelen) endlich ein Satirical auf Burschenschaften und/oder deren Bälle. Ob im Film oder auf der Bühne - ganz egal. Warum greift denn keiner diese grandiose Gelegenheit auf, die Verwirrung, die momentan in dieser Ecke herrscht, in böse Worte zu fassen? Da sie ja die neuen Juden sind, vielleicht fechten sie ihre Mensuren demnächst mit Kippa statt Tönnchen, und anstatt eines Schmisses werden die Peies-Locken abgesäbelt… ach, der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, HC sei Dank.

Da finde ich es schon viel problematischer, dass Frau Proll mitspielt. Ich leide an einer Proll-Allergie, und vermutlich wird das dann auch der Grund dafür sein, dass ich mir das Stück nicht ansehen kann. Was allen Fans der Dame natürlich die Freude nicht vermiesen möge, es ist eben mein ganz persönlicher Geschmack.

  Bettina wrote @ Februar 13th, 2012 at 15:52

Hab ich ja gar nicht gesagt, und ich hab Ihren Beitrag auch gar nicht so verstanden und mich auch über nix beschwert. Ich habe mich lediglich darauf bezogen, daß *in Wien* anscheinend öfter mal gefragt wird (also nicht von Ihnen, sondern anderen Medienvertretern), ob man “über die Nazizeit lachen darf” (siehe Producers).
Und außerdem wollt’ ich nur sagen, daß es ein schönes Stück ist und ich mich für die Wiener freue, die es sich angucken können.

Lieber Herr Bruny, wenn (falls) ich mich (jemals) über *Sie* beschweren wollen sollte, sag ich das dann schon deutlich ;-) - bis dahin will ich Ihnen nix Böses…

  Martin Bruny wrote @ Februar 13th, 2012 at 15:26

Es ist auch gar nicht notwendig, sich zu beschweren. Das ist auch keine Stellungnahme gegen die Aufnahme eines solchen Stücks in den Spielplan. Nirgendwo könnte man zwischen den Zeilen lesen, dass ich meinte, man wäre sich in Nürnberg nicht bewusst, wie “böse die Nazis waren”.

  Bettina wrote @ Februar 13th, 2012 at 15:07

Ich habe das Stück vor Jahren in Nürnberg gesehen (ja, tatsächlich ist man sich dort sehr bewußt, wie böse die Nazis waren) und hab mich nicht davon abhalten lassen, zu lachen und mich prächtig zu amüsieren. War an anderen Stellen auch sehr eindringlich gemacht, mit akustisch simulierten Bombardierungen im dunklen Zuschauerraum… Sehr schönes Stück. Würd’s mir sehr gerne nochmal ansehen.
Ich kann mich spontan nicht entsinnen, daß sich in Nürnberg jemand über die Thematik beschwert hätte…

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